1876 – 1934
Ich bin der Glaube an die
Macht der Sonnen,
Und meine Inbrunst zeitigt
alle Strahlen!
Ich walle aus mir selber in
die Zahlen
Und halte mich von Ewigkeit
umsponnen.
In mir erschöpfen nimmer sich
die Bronnen;
Mein Ich entstammt ja festen
Wahlen
Der Ringnatur in ihren
Wandelqualen:
Drum werde ich. Doch hat mich
nichts begonnen!
Ich bin! und weil ich bin, so
will ich leben.
Und da ich leben will, bin ich
ein Wesen:
Doch ewig nur, als wahrstes
Sein und Streben!
Ich bin nur ich in meinem
Micherlesen,
Und um zu werden muß ich mir
entgegenschweben,
Denn nur auf mirberuht das
Urgenesen.
1876 – 1934
Ich möchte wandern. Nackt
verschwinden, schwimmen.
Stets weiterschwimmen, Frauen
treffen, minnen.
Mich geben in das Wasser:
abwärtsrinnen.
Die Flut befragen. Schwimmend
immer weiter klimmen.
Im weichen Wasser wohnen
Wunderstimmen.
Sie wollen mich für ihre Glut
gewinnen.
Sie sind im Nebel. Noch im
Tropfen drinnen.
Ganz innen kann auch kaltes
wasser glimmen.
Die Wellen wollen sich in mich
verlieben.
Wer ist bei mir geheimnisvoll
zugegen?
Nur wir! wenn alle Wünsche
leicht zerstieben.
Ich will mich in der Flut zur
Ruhe legen.
Die Wellen tragen meine Kunden
weiter:
Selbst alle Schwermut überschäumt
sich heiter.
1876 – 1934
I.
Vertändelt ist das erste Gold
der Garben.
Auf alten Mauern schlafen rote
Schlangen.
Die Jagd auf Wanderwild hat
angefangen,
Der Tagesabgang schweißt durch
Wolkennarben.
Das Jahr vollendet seinen
Kranz der Farben.
Die Lauben sind mit
Schattenblau behangen,
Der Äcker Todesgold ist
aufgegangen:
Wie wahr, daß wir schon alle
lange starben!
Ich kann dem Frühlingsbrüten
nicht vertrauen.
Und doch, das Wunder wird so bald
geschehen:
Die Luft erholt sich bloß auf
trocknen Auen.
Es kommt die Sonne, unser
Wohlergehen.
Das Frühlingsgrün ist heimlich
ein Erblauen:
Es gibt ein unerfülltes
Auferstehen.
II.
Der Tag ist wie ein Kindlein
eingeschlafen.
Sein Lächeln überspiegelt
goldnes Träumen,
Der Wiegewind vereinsamt sich
in Bäumen,
Und Bäume überrauschen blau
den Hafen.
Entzweite Schwestern, die
einander trafen,
Beplätschern sich im heitern
Abendschäumen,
Dann nahen sie als Schwan mit
Feuersäumen
Und landen unter Marmorarchitraven.
Auch meine Segeleinfalt ist
versunken.
Ich warte stumm auf dunklem
Stufendamme
Und staune, daß die Brandung
blau verblutet.
Mein Blick. ein Stern. Des
Meeres Purpurfunken.
Wie gut die Nacht durch meine
Ruhe flutet.
Bedachtsam wandelt sich die Hafenflamme.
1876 – 1934
I. – Flügellahmer Versuch
Es schweift der Mond durch
ausgestorbne Gassen,
Es fällt sein Schein bestimmt
durch bleiche Scheiben.
Ich möchte nicht in dieser
Gasse bleiben,
Ich leid es nicht, daß Häuser
stumm erblassen.
Doch was bewegt sich steil auf
den Terrassen?
Ich wähne dort das eigenste
Betreiben,
Als wollten Kreise leiblich
sich beschreiben,
Ich ahne Laute, ohne sie zu
fassen.
Es mag sich wohl ein weißer
Vogel zeigen,
Fast wie ein Drache trachten
aufzusteigen,
Dabei sich aber langsam
niederneigen.
Wie scheint mir dieses
Mondtier blind und eigen,
Es klopft an Scheiben,
unterbricht das Schweigen
Und liegt dann tot in Hainen
unter Feigen.
II. - Katzen
Es silbern Mondflocken durchs
Fenster nieder.
Auf bleichem Teppich spielen
weiße Katzen,
Mit silberblauen Augen,
Seidentatzen.
Beinah gebrechlich sind die
feinen Glieder.
Ich klatsche, lache, schließe
meine Lider.
Doch bleibt das nahe
Katzenhaschen, Kratzen.
Auf einmal raschelt es in den
Matratzen,
Und blasse Kleider gibt der
Spiegel wieder.
Ich wußte wohl, sie würden
lautlos spielen.
Wie sind die Katzen und die
Kinder zierlich.
Sie balgen sich auf den
beglänzten Dielen.
Das große Kind ist nackt und
doch manierlich,
Die kleinen tragen blaue
Mondlichthemden.
Wie mich die Augen und ihr
Schmuck befremden.
III. – Der Kakadu
Ein Streifen Mondschein fällt
durch eine Scheibe
Auf einen weißen Riesenkakadu,
Er krümmte sich vor Stunden
schon zur Ruh
Und wälzt nun wirre Träumerei
im Leibe.
Erst blaut in ihm der Schreck
vor einem Weibe,
Dann folgt im Nu bedrückendes
Getu.
Nun kommt der Bub. Der neckt
ihn, nickt ihm zu
Und zeigt die Zunge rot ins
Traumgetreibe.
Jetzt schlägt der Vogel
kreischend einen Reifen
Und blickt der blanken Scheibe
in den Schlund.
Dann fängt sein Schreck an
schlotternd auszukneifen.
Dann nickt er ein: der Mond
spuckt Kirschen aus,
Er neckt ihn, lacht, verrenkt
den Mund.
Und kriegt dafür von irgendwo
Applaus.
IV. – Die Droschke
Ein Wagen steht vor einer finstern
Schenke.
Das viele Mondlicht wird dem
Pferd zu schwer.
Die Droschke und die
Gassenflucht sind leer:
Oft stampft das Tier, das
seiner wer gedenke.
Es halten diese Mähre halb nur
die Gelenke,
Denn an der Deichsel hängt sie
nimmer mehr.
Sie baumelt mit dem Kopfe hin
und her,
Daß sie zum Warten sich
zusammenrenke.
Aus ihrem Traume scheucht sie
das Gezänke
Und oft das geile Lachen aus
der Schenke.
Da macht sie einen Schritt,
zur Fahrt bereit.
Dann meint sie schlafhaft, daß
sie heimwärtslenke,
Und hängt sich an sich selbst
aus Schläfrigkeit,
Noch einmal poltern da die
Droschkenbänke.
1876 – 1934
I.
Ich wandle spät und
schweigsamer als Hirten,
Beinah verzagt, auf Hellas’
Höhen hin;
Dein Bild, Entrauschte, bleibt
vor meinem Sinn,
Doch ohne Blicke, die um
Hinsturz girrten.
Ich weiß, daß meine Schritte
mich verirrten,
Ich weiß, wie ich vor dir
unfaßbar bin,
Doch nimm von meiner
Sorgsamkeit Gewinn:
Dir sei ein Aufenthalt mein
Tal der Myrten.
Dir sei mein Lied, das ich
erschaudernd singe,
Ein Bittgang und Geschenk,
wenn dichs erreicht.
Nimm an, was ich zu dir –
entsagend – bringe!
Nur einen Hauch von Huld – und
mir wird leicht.
Ich finde dich bei Myrten,
Ferngewähnte,
Sie sternten auf, wo sich dein
Blick betränte.
II.
Das Leid um die Geliebte hat
kein Sterben.
Auf Höhen, wo der Hirt bei
Herden wohnt,
Verweile ich und suche mit dem
Mond –
So bleich wie er –
untreffbares Verderben.
Die Berge gleißen hin, wie
Silberscherben
Nach Hellas’ Bruch, wo Zeus
dereinst gethront:
Gar seltsam sind wir, die ein
Sturz verschont,
Der Sehnsucht – keiner Geltung
– ernste Erben.
Ich horche auf verschlafner
Herden Glocken:
Oft regt das Tier sich – und
da kommt der Klang.
Das jüngste Sternlein steigt
dabei – bekannt –
Zu uns empor: ein freundliches
Frohlocken.
Durch Himmels-Einfalt sind wir
fromm verwandt.
Gelobte Nacht, enthülle unsern
Dank.
1876 – 1934
Das Schlangenhaupt der
Zweifelfurcht ist abgeschlagen.
Nun stehst du nackt,
geburthaft nackt, in wüsten Weiten.
So gehe fort, auch ohne
fortzuschreiten!
Du mußt das Feindeshaupt bis
an dein Ende tragen.
Du fühlst dir nun das eigene
Trauerspiel entragen.
Dein Ich betrifft dich nicht,
da Geister dich begleiten
Und Helden ihre Möglichkeiten
vorbereiten,
Um dann entnächtigt, über dich
gezückt, zu tagen.
Ich lasse mich von einem
Schlangenhaupt zerfleischen.
Ich achte meine Beute, darf
sie nicht verwerfen.
Die Schlangen beißen, beißen,
und ich darf nicht kreischen.
Die edlen Sinne werden sich
noch weiter schärfen.
Das Fleisch ist wild zernagt,
und Gift traf meine Seele,
Ich stehe als Gespenst und
schreie ohne Kehle.
1876 – 1934
Ach, ich habe dich auf einem
Stern verloren.
Seiderauschend zogst du einst
an mir vorbei,
Und ich war und wußte bloß den
wehen schrei:
Wo wirst du für mich und ich
in dir geboren?
Lebst du, Meine, unter
schwerverschloßnen Toren?
Mütter trennten, brachen uns
vielleicht entzwei.
Kennst du deiner Schwermut
blasse Ahnenreih?
Was du wurdest, hat sich wider
mich verschworen.
Ach, du hast dich selber von
dir losgeschaffen.
Trägst du mich gewiß in guten
Abendarmen?
Sollt ich mich aus einem
Abschied selbst erraffen?
Meine Ferne, kann ich ganz zu
mir verarmen?
Sah ich dich? ach, dieses war
ein Kaumerinnern,
Zufall, Wirrnis bei den klaren
Mittagsspinnern.
1876 – 1934
Ein blasser Hauch
durchschreitet Marmorhallen,
Die unten irgendwo zum Meere
führen.
Wohl scheint ein Laut von
Wellen herzurühren,
Ein Traum? ein Wittern? mit
dem Winde Wallen?
Dem Schatten ist ein Becken
aufgefallen,
Und schon verführts ihn,
Flammen anzuschüren.
Nun öffnen sich des Saales
Flügeltüren,
Und alle Hallen fangen an zu
schallen.
Erschaute ich das Wandeln
einer Seele?
Sie ging verwaist wie
unvermutet weiter.
Ihr bangte bloß, daß sie ein
Horcher quäle.
Ihr Trauertraum verschmäht die
Saalbegleiter.
Ich darf mich nie nach dieser
seele sehnen,
Sie ging und kam, mich flehend
abzulehnen.